DIE MATRATZEN
Wie man so schreibt, dass jemand auf dem Hintergrund von etwas agiert, und damit das Handeln in einen Rahmen, eine Farbe oder eine Landschaft stellt, beschreibt und montiert Tobias Spichtig die verschiedenen Teile seiner Ausstellungen zu Hintergründen. Hintergründe, die nicht den Raum definieren sollen, sondern eher eine Art Handlungsrahmen für eine nicht näher erklärte Person entwerfen. Treffen, wie in früheren Ausstellungen, visuelle und akustische Elemente aufeinander, rückt er den visuellen Teil, großformatige malerische Leinwände, die ja – in einer Galerie – schnell wie das Zentrum der Ausstellung gesehen werden, aus dem Fokus, hängt sie lose in die Ecke, und nennt sie denn auch Backdrops. Das akustische Element, das er verwendet, ist allerdings ebenfalls aus den Archiven der Hintergrundmusik zusammengestellt, ist entweder Barmusik, die er allein oder mit Theresa Patzschke aufführt, oder aber aus Filmmusikzitaten neu komponiert. Alle ja zunächst sehr präsenten Elemente (Lautstärke, grosses Format) sollen also sowenig wie möglich Eigentlichkeit haben.
Die zwei Elemente sind in der Ausstellung in der Galerie Kaps in Köln die titelgebenden Matratzen, samt weiterer Leinwände, diesmal Leintücher (Bettlaken), die von Freunden und Freundinnen eingesammelt wurden, sowie menschenähnliche Skulpturen – mit einem aus dem Flugzeugbau kommenden Material versteiften Kleider von ebenfalls Freunden und Freundinnen. Diese zwei Arbeiten sind im letzten Jahr hintereinander entstanden, und sind ziemlich offensichtlich beides zunächst Bilder der Anwesenheit von Nicht-Anwesenden. Als solche Nicht-Anwesende sind die durch Ziehen leicht überlebensgroßen Kleiderskulpturen allerdings auch wieder aus dem Fokus weg in den Hintergrund gerückt, die titelgebenden Matratzen stehen, wie Matratzen ohnedies meistens, ebenfalls nicht im Vordergrund, da ja die Bettlaken darüber gebreitet sind. Psychologische Effekte, die also den Vordergrund ausmachen können, entstehen natürlich je nach Gefühlslage unterschiedlich, trennen uns aber jedenfalls vom Künstler, der ja dort Freunde sieht, wo wir nur eine gewisse gespensterhafte Abwesenheit sehen. Sein also ganz liebevoll und freundlich besetztes Bild – der sich im Bett, an einem allgemein recht friedvollen Ort befindliche Freund – dreht sich im Auge des Betrachters zu einem Fremden, dem man zu nahe gekommen ist und gleicht dem unangenehmen, lieber verjagten, Gedanken an die, in der Matratze gespeicherten Anwesenheiten im Hotelzimmerbett. Nun ist die Herstellung von Intimität zu einem Objekt immer schon eine der Aufgaben der Skulptur gewesen, und die leichte Überlebensgröße einer der Tricks klassischer Skulptur um schon aus der Distanz einen intimen Blick zu ermöglichen, der sonst erst bei größerer Nähe möglich wäre. Dieses aus der Steinbildhauerei kommende Prinzip, die ja die Materialabstraktion durch viele solche Kniffe aushebeln musste, steht hier allerdings nur nebenbei, die Mittel um Intimität zu einem Objekt zu erzeugen sind in der Ausstellung ja eigentlich ganz einfach gewählt. Bleibt sozusagen die erzeugte Intimität bei leichter Unheimlichkeit, die die eigentliche Handlung darstellt, die auf dem Hintergrund von Tobias Spichtigs Arbeiten passiert.
Ariane Müller
It is said that individuals act according to their background. Action is thus placed within a particular frame, colour or landscape. In much the same way, Tobias Spichtig describes and mounts the various components of his exhibitions as backgrounds. Backgrounds that are not intended to define the space, but rather provide a kind of framework for action for an individual, who is not described in detail. When, as in earlier exhibitions, visual and acoustic elements come together, the visual component – namely large-format paintings, which, in the context of the gallery, quickly become the centre of attention – is taken out of focus and hung loosely in the corner. In such cases, he calls them “backdrops”. The acoustic element is compiled from an archive of background music; it is either bar music, which he performs either alone or together with Theresa Patzschke, or clips composed of quotes from film music. Both highly present elements (i.e. the volume level of the music and the large format of the paintings) are thus intended to have as little “actuality” as possible.
These two elements in the exhibition in the gallery Jan Kaps in Cologne are represented by the eponymous mattresses - including further “paintings”, which take the form of bed linens provided friends – and humanoid sculptures, with clothes stiffened with a material used in aircraft construction, whereby the clothes are also provided by friends. These two work groups were created successively in the past year. Both are obviously images of the presence of those not present. As non present individuals, the slightly oversized clothing sculptures are also taken out of focus and placed in the background. The mattresses are, by their very nature, also not the focus of attention, since they are covered by bed linens. Psychological effects, which could theoretically come into the fore, develop quite differently, depending upon the viewer’s emotional state; in any event, these effects distinguish us from the artist, who envisions friends, whereas we see only a certain ghostlike absence. His image, which is laden with affection and friendship – the friend on the bed, a generally rather peaceful place – is transformed in the eyes of the viewer into a stranger, to whom one has come too close and is comparable to the unpleasant, preferably expelled thoughts of presences stored in the mattresses of hotel beds. The construction of intimacy towards an object has always been one of the tasks of sculpture, and the slightly larger-than-life scale is a trick of classical sculpture, used to facilitate an intimate view even from a distance, which would otherwise only be possible from a much closer proximity. This principle borrowed from stone sculpture, which had to overturn material abstraction by means of many such tricks, is, however, merely secondary here. In this exhibition, the means of creating a sense of intimacy towards an object are actually quite simple. What remains, so to speak, is the resulting intimacy within an atmosphere of slight eeriness, which depicts the actual story that takes place within exhibition against the background of Tobias Spichtig’s works.
Ariane Müller